Loginoder neu registrieren? |
||||||
| ||||||
SucheSuchen Sie im kath.net Archiv in über 70000 Artikeln: Top-15meist-diskutiert
| Der Kreuzweg mit Papst Franziskus am Kolosseum in Rom29. März 2018 in Aktuelles, keine Lesermeinung Der übersetzte Meditationstext in voller Länge - Zum Mitlesen Rom (kath.net) kath.net dokumentiert die deutsche Übersetzung der Meditationen des Kreuzwegs beim Kolosseum in Rom, der am Karfreitag gehalten wird. Die Texte stammen diesmal von einer Gruppe junger Schüler und Studenten aus Rom. Der Kreuzweg steht unter dem Vorsitz von Papst Franziskus. Die Betrachtungen und Gebete wurden verfasst von Einleitung Mit der für ihr Alter typischen Begeisterung nahmen sie diese Herausforderung an, vor die sie der Papst in diesem generell der jüngeren Generation gewidmeten Jahr 2018 gestellt hatte. Sie taten dies mit einer präzisen Arbeitsmethode. Sie versammelten sich um einen Tisch und lasen die Texte der Passion Christi nach den vier Evangelien. Sie führten sich die Szenen der Via Crucis vor Augen und sahen sie. Nach der Lektüre und einer gewissen Zeit des Nachdenkens brachten die Jugendlichen dann zum Ausdruck, welches Detail der Szene sie jeweils besonders berührt hatte. So ergab sich die Zuteilung der einzelnen Kreuzwegstationen auf recht einfache und natürliche Weise. Drei Schlüsselwörter, drei Verben, kennzeichnen die Ausarbeitung dieser Texte: zunächst, wie schon erwähnt, sehen, dann begegnen und schließlich beten. Wenn man jung ist, will man sehen, die Welt sehen, alles sehen. Die Szene des Karfreitags ist gewaltig, auch in ihrer Grausamkeit: Sie zu sehen kann zu Abscheu oder zu Barmherzigkeit und damit zur Begegnung führen. Genauso, wie Jesus es im Evangelium tut, jeden Tag, auch an diesem letzten. Er trifft auf Pilatus, Herodes, die Priester, die Soldaten, seine Mutter, Simon aus Zyrene, die Frauen von Jerusalem, die beiden Verbrecher, die seine letzten Weggefährten sind. Wenn man jung ist, bietet sich täglich die Gelegenheit, jemanden zu treffen, und jedes Treffen ist neu und überraschend. Man wird alt, wenn man niemanden mehr sehen will, wenn ängstliche Verschlossenheit die vertrauensvolle Offenheit verdrängt. Meist steckt dahinter die Angst vor Veränderung, denn Begegnung bedeutet Veränderung, die Bereitschaft, sich mit neuen Augen wieder auf den Weg zu machen. Das Sehen und die Begegnung führen schließlich zum Gebet, weil das Sehen und die Begegnung Barmherzigkeit hervorrufen, auch in einer Welt, die gnadenlos erscheint, und an einem Tag wie diesem, an dem sinnloser Zorn, Feigheit und die gedankenlose Trägheit der Menschen den Ton angeben. Folgen wir Jesus mit dem Herzen, auch auf dem geheimnisvollen Weg des Kreuzes. Dann können Mut und Vertrauen wieder neu erstehen, und nachdem wir gesehen und uns der Begegnung geöffnet haben, werden wir die Gnade des Gebetes erfahren, nicht mehr allein, sondern gemeinsam. Kreuzweg Erste Station - Jesus wird zum Tode verurteilt Aus dem Lukasevangelium . (Lk 23,22-25) Ich sehe dich, Jesus, vor dem Statthalter, der dreimal versucht, dem Willen des Volkes zu widerstehen, und sich schließlich dafür entscheidet, sich nicht zu entscheiden. Und ich sehe dich vor der Menschenmenge, die dreimal befragt wird und sich immer gegen dich entscheidet. Die Menge, das heißt, jeder und das heißt niemand. Untergetaucht in der Masse verliert der Mensch seine eigene Persönlichkeit; er sagt das Gleiche wie tausend andere. Bevor er dich verleugnet, verleugnet er sich selbst, indem er seine Verantwortung in der schwankenden Verantwortung der gesichtslosen Menge verliert. Dennoch ist er verantwortlich. Von Agitatoren irregeführt, vom Bösen, das sich heimtückisch und ohrenbetäubend ausbreitet, verurteilt dich der Mensch. Heute sind wir entsetzt über solche Ungerechtigkeit, und wir möchten uns davon gern distanzieren. Aber dabei vergessen wir all die Male, wo wir zuerst Barabbas retten wollten und nicht dich nämlich immer dann, wenn unser Ohr für den Anspruch des Guten taub war, die Ungerechtigkeit vor unseren Augen lieber nicht sehen wollten. Ich bitte dich, Herr, wache über unsere Entscheidungen, Aus dem Markusevangelium (Mk 8,34-35) Ich sehe dich, Jesus, mit Dornen gekrönt, während du dein Kreuz auf dich nimmst. Du nimmst es an, wie du immer alles und jeden angenommen hast. Sie beladen dich mit dem schweren rauen Holz, aber du lehnst dich nicht auf, du weist dieses Instrument ungerechter und schändlicher Folter nicht ab. Du nimmst es auf deine Schultern und gehst los. Wie oft habe ich rebelliert, wie oft war ich verärgert über die Aufgaben, die ich erhalten habe und die ich als schwierig oder ungerecht empfunden habe. Du tust das nicht. Du bist nur ein paar Jahre älter als ich, heute würde man sagen, dass du noch jung bist, aber du bist gelehrig, und du nimmst ernst, was das Leben für dich bereithält, jede Gelegenheit, die sich dir bietet, so als wolltest du den Dingen auf den Grund gehen und aufdecken, dass es immer etwas mehr gibt als das, was äußerlich sichtbar ist, dass alles eine verborgene und überraschende Bedeutung hat. Dank dir verstehe ich, dass dies ein Kreuz des Heils und der Befreiung ist, ein Kreuz, das Halt gibt in der Not, ein leichtes Joch, eine Last, die nicht belastet. Aus dem Skandal des Todes des Sohnes Gottes, der den Tod als Sünder, als Verbrecher erlitt, erwächst die Gnade, im Schmerz die Auferstehung zu entdecken, im Leiden deine Herrlichkeit, in der Angst dein Heil. Eben dieses Kreuz, für uns ein Symbol der Erniedrigung und des Schmerzes, erweist sich nun, durch die Gnade deines Opfers, als Verheißung: Aus jedem Tod wird das Leben wieder auferstehen, und in jeder Finsternis wird ein Licht leuchten. Und wir können ausrufen: Sei gegrüßt, o Kreuz, unsere einzige Hoffnung!. Ich bitte dich, Herr, Aus dem Buch Jesaja (Jes 53,4) Ich sehe dich leiden, Jesus, als du mit unserer Sünde beladen den Weg zum Kalvarienberg hinaufgehst. Und ich sehe dich fallen, schmerzhaft, mit Händen und Knien auf dem Boden. Mit wieviel Demut bist du gefallen! Wieviel Demütigung magst du dabei empfinden! Deine Natur als wahrer Mensch wird in diesem Bruchstück deines Lebens deutlich offenbar. Das Kreuz, das du trägst, ist schwer; du bräuchtest Hilfe, aber als du auf den Boden fällst, hilft dir keiner, im Gegenteil, die Menschen treiben ihren Spott mit dir, sie lachen beim Anblick eines fallenden Gottes. Vielleicht sind sie enttäuscht, vielleicht haben sie sich eine falsche Vorstellung von dir gemacht. Manchmal denken wir, dass der Glaube an dich bedeutet, nie im Leben zu fallen. Zusammen mit dir falle auch ich, und mit mir meine Vorstellungen, die ich von dir hatte: Wie zerbrechlich waren sie! Ich sehe dich, Jesus, wie du die Zähne zusammenbeißt und ganz der Liebe des Vaters anheimgegeben wieder aufstehst und deinen Weg fortsetzt. Mit diesen ersten so unsicheren Schritten zum Kreuz hin, Jesus, erinnerst du mich an ein Kind, das seine ersten Schritte im Leben macht und sein Gleichgewicht verliert, hinfällt und weint, dann aber weitermacht. Es verlässt sich auf die Hand seiner Eltern und gibt nicht auf; es hat Angst, aber es geht weiter, denn sein Vertrauen ist stärker als seine Angst. Ich bitte dich, Herr, Aus dem Lukasevangelium (Lk 2,34-35) Ich sehe dich, Jesus, wie du deine Mutter triffst. Maria ist da, sie geht die überfüllte Straße entlang, wie viele andere Menschen auch. Das Einzige, was sie von den anderen unterscheidet, ist, dass sie dort ist, um ihren Sohn zu begleiten. Eine ganz alltägliche Situation: Mütter begleiten ihre Kinder zur Schule oder zum Arzt oder nehmen sie mit zur Arbeit. Maria unterscheidet sich jedoch von den anderen Müttern: Sie begleitet ihren Sohn auf dem Weg zum Sterben. Zu sehen, wie das eigene Kind stirbt, gehört zum Schlimmsten und Unnatürlichsten, was einem Menschen widerfahren kann. Noch grausamer ist es jedoch, wenn das Kind im Namen der Justiz unschuldig zu Tode kommt. Was für eine unnatürliche und ungerechte Szene habe ich hier vor meinen Augen! Meine Mutter hat mir Gerechtigkeitssinn und Vertrauen in das Leben anerzogen, aber das, was meine Augen heute sehen, hat nichts von alledem, es ist sinnlos und schmerzvoll. Ich sehe dich, Maria, wie du deinen armen Sohn ansiehst: er trägt die Wundmale der Geißelung auf dem Rücken und ist gezwungen, die Last des Kreuzes zu tragen, wahrscheinlich wird er bald vor Erschöpfung zusammenbrechen. Du wusstest wohl, dass dies früher oder später geschehen würde, denn es war dir prophezeit worden, aber jetzt, da es geschehen ist, ist es ganz anders; und letztlich ist es ja immer so, wir sind nie vorbereitet auf die Härte des Lebens. Maria, du bist jetzt traurig, wie es jede Frau an deiner Stelle wäre, aber du bist nicht verzweifelt. Deine Augen sind nicht stumpf, sie schauen nicht in die Leere, du lässt den Kopf nicht hängen. Bei aller Traurigkeit strahlst du Hoffnung aus, du weißt, dass dein Sohn nicht für immer weggeht und du weißt, du fühlst, wie es nur Mütter fühlen, dass du ihn bald wiedersehen wirst. Ich bitte dich, Herr, Aus dem Lukasevangelium (Lk 23,26) Jeden Tag erleben wir zahllose Begegnungen und Konfrontationen, vor allem wir Jugendliche kommen ständig mit neuen Realitäten, neuen Menschen, in Kontakt. Und gerade in der unerwarteten Begegnung, im Zufall, in der unvorhergesehenen Überraschung verbirgt sich die Gelegenheit zur Liebe, zur Erkenntnis des Guten im Mitmenschen, auch wenn er uns zunächst fremd erscheint. Manchmal fühlen wir uns wie du, Jesus: verlassen von denen, die wir für unsere Freunde gehalten hatten, bedrückt von schwerer Last. Aber wir dürfen nicht vergessen, dass es Menschen wie Simon von Zyrene gibt, die bereit sind, unser Kreuz auf sich zu nehmen. Wir dürfen nicht vergessen, dass wir nicht allein sind, und aus diesem Bewusstsein können wir auch die Kraft schöpfen, das Kreuz unseres Nächsten mitzutragen. Herr, ich bitte dich für uns alle Aus dem Buch Jesaja (Jes 53, 2-3) Ich sehe dich, Jesus, erbärmlich, fast unkenntlich; man hat dich behandelt wie den geringsten aller Menschen. Mühevoll gehst du auf den Tod zu mit deinem blutenden und entstellten Gesicht, auch wenn dein Blick wie immer mild und demütig und nach oben gerichtet ist. Eine Frau bahnt sich den Weg durch die Menge, um dein Gesicht aus der Nähe zu sehen, von dem sie sich vielleicht oft in ihrer Seele angesprochen fühlte und das sie geliebt hatte. Sie sieht dein leidendes Gesicht und will helfen. Man lässt sie nicht durch, es sind viele, zu viele und sie sind bewaffnet. Aber für die Frau spielt das keine Rolle, sie ist entschlossen, zu dir zu gelangen, und sie schafft es für einen Moment, dich zu berühren, dich mit ihrem Schleier zu liebkosen. Ihre Kraft ist die Kraft der Zärtlichkeit. Eure Blicke begegnen sich für einen Moment von Angesicht zu Angesicht. Jesus, ich bitte dich, gib mir die Kraft, Aus dem Buch Jesaja (Jes 53, 8.10) In deinem erneuten Hinfallen richtest du eine klare Botschaft der Demut lateinisch humilitas an uns, du bist zu Boden gefallen, auf jenen humus, dem die Humanität entstammt. Wir sind Erde, wir sind Schlamm, wir sind nichts im Vergleich zu dir. Aber du wolltest so werden wie wir, und jetzt zeigst du dich uns nahe, mit der gleichen Erschöpfung, den gleichen Schwächen, mit dem gleichen Schweiß auf der Stirn. Jetzt, an diesem Freitag, bist du, wie es auch uns widerfährt, vom Schmerz niedergestreckt. Aber du hast die Kraft, weiterzugehen, du hast keine Angst vor den Schwierigkeiten, denen du begegnen könntest, und du weißt um das Paradies am Ende aller Not; du erhebst dich, um dich eben dorthin zu wenden und uns die Türen deines Königreiches zu öffnen. Ein seltsamer König bist du, ein König im Staub. Ich spüre ein Schwindelgefühl: Wir sind es nicht wert, unsere Anstrengungen und unser Hinfallen mit deinem Leiden zu vergleichen. Deines ist ein Opfer, das größte Opfer, das meine Augen und die ganze Geschichte je sehen werden. Aus dem Lukasevangelium (Lk 23,27-31) Jesus, du hingegen sprichst zu den Frauen wie ein Vater, auch wenn du sie rügst. Deine Worte sind Worte der Wahrheit, sie sind direkt, aber sie haben nur ein Ziel: Sie wollen korrigieren, nicht verurteilen. Deine Sprache ist von unserer verschieden, du sprichst immer in Demut und dringst mitten ins Herz. In dieser Begegnung, der letzten vor dem Kreuz, wird noch einmal deine unermessliche Liebe zu den Geringsten und Ausgegrenzten sichtbar; tatsächlich hielt man damals Frauen einer Unterredung nicht für würdig, du aber bist in deiner Güte wirklich revolutionär. Aus dem Buch Jesaja (Jes 53,5-6) Ich sehe dich, Jesus, wie du zum dritten Mal fällst. Zweimal bist du schon gefallen und zweimal bist du wieder aufgestanden. Deine Erschöpfung und deine Schmerzen sind unermesslich, du scheinst endgültig besiegt bei diesem dritten und letzten Sturz. Wie oft im täglichen Leben fallen wir! Wir fallen so oft, dass wir nicht mitzählen können, aber wir hoffen jedes Mal, dass es das letzte Mal war, denn es braucht den Mut der Hoffnung, um gegen das Leid anzukämpfen. Wenn man so oft fällt, brechen die Kräfte schließlich zusammen und alle Hoffnung schwindet. Ich stelle mir vor, Jesus, wie ich dich auf deinem Weg zum Tode begleite. Es ist schwer zu glauben, dass gerade du der Sohn Gottes bist. Manche haben bereits versucht, dir zu helfen, aber inzwischen bist du am Ende; du bist regungslos, gelähmt, und es scheint, dass du nicht mehr weiterkommst. Aber dann sehe ich plötzlich, dass du dich wieder erhebst, deine Beine und deinen Rücken wieder streckst, soweit das mit einem Kreuz auf den Schultern überhaupt möglich ist, und weitergehst. Ja, du gehst auf den Tod zu, aber du willst deinen Weg bis zum Ende gehen. Vielleicht ist es das, was Liebe bedeutet. Was ich verstehe, ist, dass es, egal wie oft wir fallen, immer ein letztes Mal, diese vielleicht schlimmste und schrecklichste Prüfung geben wird, in der wir irgendwie die Kraft finden müssen, den Lauf zu vollenden. Für Jesus ist das Ende die Kreuzigung, die Sinnlosigkeit des Todes, die aber einen tieferen Sinn erkennen lässt, ein höheres Ziel: unser aller Erlösung. Ich bitte dich, Herr, gib uns jeden Tag den Mut, Aus dem Johannesevangelium (Joh 19,23) Ich sehe dich nackt, Jesus, wie ich dich noch nie zuvor gesehen habe. Sie haben dich deiner Kleider beraubt, Jesus, und sie würfeln darum. In den Augen dieser Menschen hast du das letzte Bisschen Würde verloren, das dir geblieben war, das einzige, was du auf diesem Leidensweg noch besessen hast. Zu Anbeginn der Zeiten hatte dein Vater den Menschen Gewänder gefertigt, um sie mit Würde zu bekleiden; jetzt reißen Menschen sie dir vom Leib. Ich sehe dich, Jesus, und ich sehe einen jungen Migranten, einen kaputten Körper, der in einem Land ankommt, das allzu oft grausam ist und wo man soweit geht, ihm seine Kleidung, sein einziges Hab und Gut, wegzunehmen und zu verkaufen; so lässt man ihn allein mit seinem Kreuz so wie dich, allein mit seiner geschundenen Haut so wie dich, allein mit seinen großen Augen des Schmerzes so wie dich. Aber ein wesentliches Merkmal der Würde vergessen die Menschen oft: Sie befindet sich unter deiner Haut, sie gehört zu dir und wird dir immer innewohnen, besonders jetzt, in dieser Nacktheit. So nackt, wie wir das Licht der Welt erblicken, wird uns die Erde am Abend unseres Lebens wieder in Empfang nehmen. Von einer Mutter zur anderen. Und jetzt hier, auf diesem Hügel, ist auch deine Mutter, die dich wieder nackt sieht. Ich sehe dich und verstehe die Größe und den Glanz deiner Würde, der Würde eines jeden Menschen, die niemand je vernichten kann. Ich bitte dich, Herr, lass uns die unserer Natur innewohnende Würde erkennen, Wir bitten dich, gib uns den Mut, den wir brauchen, Aus dem Lukasevangelium (Lk 23,33-34) Ich sehe dich, Jesus, aller Dinge beraubt. Sie wollten dich, den Unschuldigen, bestrafen, indem sie dich ans Holz des Kreuzes nageln. Was hätte ich an ihrer Stelle getan? Hätte ich den Mut gehabt, deine Wahrheit, meine Wahrheit, zu erkennen? Du hast die Kraft gehabt, die Last eines Kreuzes zu tragen, die Last des dir entgegengebrachten Unglaubens, die Last für deine unbequemen Worte verurteilt zu werden. Heute können wir mit Kritik kaum umgehen, so, als würden kritische Worte nur ausgesprochen, um uns zu verletzen. Ich schaue mich um und sehe Augen, die auf das Display eines Smartphones starren und damit beschäftigt sind, in den sozialen Netzwerken andere auf ihre Fehler festzunageln gnadenlos. Ich sehe Menschen, die dort aus den nichtigsten Gründen zornerfüllt ihren Hass herausschreien. Ich schaue auf deine Wunden und mir wird jetzt bewusst, dass ich deine Kraft nicht gehabt hätte. Aber ich sitze hier zu deinen Füßen und auch ich lege alles Zögern ab, ich erhebe mich vom Boden, um dir ein wenig näher zu sein, wenn es auch nur ein paar Zentimeter sind. Ich bitte dich, Herr, schenke mir einen wachen Geist, Aus dem Lukasevangelium (Lk 23,44-47) Ich sehe dich, Jesus, und diesmal möchte ich dich eigentlich nicht sehen. Du ringst mit dem Tod. Du warst schön anzusehen, als du zur Menge gesprochen hast, aber jetzt ist alles vorbei. Und ich will das Ende nicht sehen; zu oft habe ich weggeschaut, ich habe mich fast schon daran gewöhnt, vor Leid und Tod zu fliehen, ich habe mich betäubt. Es ist ein großes Geheimnis, Jesus: Sterbend liebst du uns, von allen verlassen, indem du uns deinen Geist schenkst, den Willen des Vaters erfüllst und dich zurückziehst. Du bleibst am Kreuz, das ist alles. Du versuchst nicht, das Geheimnis des Todes und der Vergänglichkeit aller Dinge zu erklären, du tust mehr: Du selbst machst dieses Geheimnis an Leib und Seele durch. Ein großes Geheimnis, das uns bis heute hinterfragt und beunruhigt; es fordert uns heraus, es lädt uns ein, unsere Augen zu öffnen, um deine Liebe auch im Tod, oder besser gesagt, vom Tod her zu erkennen. Gerade dort hast du uns geliebt: hineingestellt in unser ureigenstes, unauslöschliches und unausweichliches Los. Gerade dort begreifen wir, wenn auch noch unvollkommen, deine lebendige und wahrhafte Gegenwart. Danach werden wir immer dürsten: nach deiner Nähe, nach deinem Sein als Gott mit uns. Ich bitte dich, Herr, öffne meine Augen, Aus dem Johannesevangelium (Joh 19,38-40) Ich sehe dich, Jesus, immer noch dort am Kreuz. Einen Menschen von Fleisch und Blut, mit seinen Schwächen und seinen Ängsten. Wie sehr hast du gelitten! Es ist eine unerträgliche Szene, vielleicht gerade auch, weil sie so von Menschlichkeit durchdrungen ist: das ist das Schlüsselwort, die Chiffre deines von Leid und Erschöpfung gepflasterten Weges. Es ist genau diese Menschlichkeit, die wir in dir oft übersehen und der wir auch in uns selbst und in den anderen zu wenig Beachtung schenken, zu sehr in Beschlag genommen von einem Leben, das aufs Gaspedal drückt, blind und taub für die Schwierigkeiten und Schmerzen anderer Menschen. Ich sehe dich, Jesus: Jetzt bist du nicht mehr dort am Kreuz; du bist dorthin zurückgekehrt, wo du hergekommen bist, auf dem Schoß der Erde liegend, auf dem Schoß deiner Mutter. Jetzt ist das Leiden vorbei und verschwunden. Dies ist die Stunde des Mitgefühls. Dein lebloser Körper spiegelt noch die Kraft wieder, mit der du dein Leid getragen hast; und in den Augen derer, die noch da sind, spiegelt sich der Sinn wieder, den du ihrem Leben gegeben hast. Sie sind bei dir geblieben und werden immer an deiner Seite bleiben, in empfangener und gebender Liebe. Ein neues Leben öffnet sich für dich, für uns, ein neues, himmlisches Leben im Zeichen der Liebe, die allem standhält und auch durch den Tod nicht zerstört wird. Du bist hier, mit uns, in jedem Moment, bei jedem Schritt, in jeder Ungewissheit, in jedem Dunkel. Während sich der Schatten des Grabes über deinen in den Armen der Mutter liegenden Körper breitet, sehe ich dich und ich habe Angst, aber ich verzweifle nicht, ich vertraue darauf, dass das Licht, dein Licht, wieder leuchten wird. Ich bitte dich, Herr, Aus dem Johannesevangelium (Joh 19,41-42) Ich sehe dich nicht mehr, Jesus, jetzt ist es dunkel. Die Hügel werfen lange Schatten und überall auf den Straßen und in den Häusern von Jerusalem wimmelt es von Sabbatlampen. Sie sind wie ein Klopfen an die Tore des verschlossenen und uneinnehmbaren Himmels: Was soll so viel Einsamkeit? Wer kann in einer solchen Nacht schlafen? Die Stadt hallt wieder vom Weinen der Kinder, den Liedern der Mütter, den Patrouillen der Soldaten: Dieser Tag stirbt, und nur du bist eingeschlafen. Schläfst du? Und auf welcher Liegestatt? Was für eine Decke verbirgt dich vor der Welt? Von weitem ist Josef von Arimathäa deinen Schritten gefolgt, und jetzt begleitet er dich auf Zehenspitzen in deinem Schlaf und entzieht dich den Blicken der empörten und bösen Menschen. Ein Laken umhüllt deine Kälte, trocknet das Blut, den Schweiß und die Tränen. Vom Kreuz steig schwerelos herab, Joseph nimmt dich auf seine Schultern, aber wie leicht du bist: An dir ist nichts von der Schwere des Todes, des Hasses und des Grolls. Du schläfst, wie damals, als du ins warme Stroh gehüllt warst und ein anderer Josef dich im Arm hielt. Wie es damals keinen Platz für dich gab, so hast du auch jetzt keinen Platz, wo du dein Haupt niederlegen kannst: Auf der Schädelhöhe aber, dem harten Nacken der Welt, gedeiht ein Garten, in dem noch nie jemand beigesetzt wurde. Wo bist du hingegangen, Jesus? Wohin bist du hinabgestiegen, wenn nicht in die Tiefe? Wohin, wenn nicht an den noch unversehrten Ort, in die engste Zelle? Du steckst in derselben Schlinge wie wir, in derselben Betrübnis wie wir bist du gefangen: Wie wir bist du auf Erden gewandelt, und jetzt nimmst du einen Platz ein unter der Erde, wie wir. Ich bete zu dir, Herr, der du dich nicht in deiner Herrlichkeit gezeigt hast, Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte helfen Sie kath.net und spenden Sie jetzt via Überweisung oder Kreditkarte/Paypal! LesermeinungenUm selbst Kommentare verfassen zu können müssen Sie sich bitte einloggen. Für die Kommentiermöglichkeit von kath.net-Artikeln müssen Sie sich bei kathLogin registrieren. Die Kommentare werden von Moderatoren stichprobenartig überprüft und freigeschaltet. Ein Anrecht auf Freischaltung besteht nicht. Ein Kommentar ist auf 1000 Zeichen beschränkt. Die Kommentare geben nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion wieder. | Mehr zu | Top-15meist-gelesen
| |||
© 2024 kath.net | Impressum | Datenschutz |