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Mentaler Extremismus: Hilfsbereitschaft versus Mangel an Empathie

22. August 2016 in Kommentar, 4 Lesermeinungen
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Vor ziemlich genau einem Jahr öffnete Deutschland seine Grenzen für Flüchtlinge und Migranten. Leiden die Deutschen an einem Helfersyndrom? idea-Kommentar von Gerhard Besier


Wetzlar (kath.net/idea) Vor ein paar Tagen provozierten zwei Deutsche in einem Brüsseler Flugzeug einen kleinen Aufstand gegen die Zwangsrückführung eines illegalen Migranten nach Kamerun. Sie wurden, wie der schreiende Migrant, des Flugzeugs verwiesen und müssen nun mit einem Strafverfahren wegen Beteiligung an Aufruhr und Beamtenbeleidigung rechnen. Für den Migranten bedeutet der Vorfall einen Aufschub seiner Abschiebung. Aus diesen und anderen Gründen misslangen im letzten halben Jahr mehr als 600 Abschiebungen.

Menschen mit Helfersyndrom vernachlässigen sich selbst

Was veranlasst viele Bürger, Abschiebungen zu vereiteln – etwa, indem sie Protest einlegen oder dem Flüchtling plötzliche eine schwere Erkrankung attestieren? Der Psychoanalytiker Wolfgang Schmidtbauer hat 1977 ein klinisches Phänomen beschrieben, das er als „Helfersyndrom“ bezeichnete. Diese pathologische Hilfsbereitschaft sei häufig in sozialen Berufen anzutreffen – bei Lehrern, Ärzten, Altenpflegern, Pfarrern, Psychologen oder Sozialarbeitern, meinte Schmidtbauer damals. Die vom Helfersyndrom Betroffenen litten oft unter einem schwachen Selbstwertgefühl und seien auf ihre Helferrolle fixiert. Das Helfen- bzw. Gebraucht-Werden-Wollen könne zu einer Sucht werden. Die Erkrankten versuchten, ein Ideal zu verkörpern, das sie selbst bei ihren Eltern oder in ihrer Kindheit vermisst hätten. Ihre Hilfsbereitschaft gehe bis zur Selbstschädigung und Vernachlässigung von Familie und Partnerschaft; dabei übersähen oder unterschätzten sie die Grenzen des Möglichen und ignorierten auch die Frage, ob ihre Hilfe überhaupt erwünscht oder sinnvoll sei.


Bestimmte Berufe sind besonders anfällig

Als Risikofaktoren für die Erkrankung nannte Schmidtbauer spezifische Berufsfelder sowie Persönlichkeitsstrukturen, die gehäuft zur entsprechenden Berufswahl führten. Den Persönlichkeitsstrukturen ihrerseits lägen oft biographische Erfahrungen zugrunde, die den Eigenwert der Betroffenen infrage stellten. Das Helfersyndrom komme in allen Bevölkerungsschichten vor. Dabei gäbe es spezifische Persönlichkeitsmerkmale, die das Risiko erhöhten. Oftmals käme es zwischen drei typischen sozialen Rollen zu einer Dreiecksbeziehung, nämlich der zwischen Opfern, Verfolgern und Rettern. Schmidtbauer stellte gar nicht infrage, dass den Opfern von Verfolgung auch Rettung gebühre, aber die Kandidaten für ein Helfersyndrom sprängen allzu schnell auf jeden Fingerzeig eines Opfer-Repräsentanten an.

Das kollektive deutsche Helfersyndrom

Besser kann man wohl nicht beschreiben, was im September 2015 mit den Deutschen passierte: sie fielen in ein kollektives Helfersyndrom. Bundeskanzlerin Angela Merkel errichtete das Deutsche Reich der Guten, das Paradies für die Armen und Geknechteten dieser Welt, und die seit Jahrzehnten gedemütigten Deutschen fielen jubelnd ein. Wie lange hatten sie sich im Urlaub die Frage gefallen lassen müssen, ob sie Nazis seien oder immer noch Hitler verehrten? Doch auf einmal winkte ihnen wieder ihre Lieblingsrolle: Am deutschen Wesen soll die Welt genesen.

Aber dieses Mal definitiv. Im westlichen Ausland wurde Deutschland als moralische Großmacht gepriesen, als Land der offenen Herzen und Türen. Das tat den Deutschen so gut. Ganz Deutschland war zum Evangelischen Kirchentag geworden, das Kirchenasyl sozusagen zu einem Massenphänomen. Biblische Bilder hatten Konjunktur – wie die Kinder Israels fanden die Schutzsuchenden nach den harten ungarischen Erfahrungen endlich das gelobte Land Deutschland und, natürlich, auch Jesus war ein Flüchtling. Das alles beflügelte die sich nicht genug beachtet Fühlenden in den Landeskirchenämtern.

Widerrufen wurde die „humanitäre Großtat“ nie

Aber wie immer, wenn der Mensch – aus letztlich zweifelhaften Motiven – über sich hinauswachsen und die Bergpredigt in die Wirklichkeit umsetzen will, folgte alsbald die Katerstimmung. Doch wiederum fand Merkel das Schlupfloch: Sie widerrief die humanitäre Großtat nie, sorgte aber im Hintergrund dafür, dass sie Episode blieb: Aus dem „wie schaffen das“ wurde hintenherum ein diplomatisch raffinierter und teurer Plan, wie Deutschland und Europa gegen die Fluten aus dem Nahen Osten und den Maghreb-Staaten zu schützen seien. Wie die zurückgehenden Flüchtlingszahlen andeuten, anscheinend mit Erfolg.

Deutschland fällt von einem Extrem ins andere

Aber das unglückliche moralische Abenteuer, die Überforderung und offenkundige Frustration der Deutschen haben bewirkt, dass unser Land nun von einem Extrem ins andere zu fallen droht: Nach dem Helfersyndrom ohne Augenmaß begegnen wir nun immer häufiger einem völligen Verlust an Empathie, einem Verhalten von antisozialer Missachtung. Denn in ihrer subjektiven Wahrnehmung wurden die Menschen für ihren sozialen Einsatz nicht belohnt, sondern im Gegenteil durch das Fehlverhalten einiger Migranten und solcher, die im Namen des IS Verbrechen begingen, tief enttäuscht. Die derart Desillusionierten stehen nun in der Gefahr, zu Gleichgültigen oder gar Hassern zu werden.

Wider den „besinnungslosen Rausch des Gutseins“

Insofern sollten die Ereignisse des Herbstes 2015 ein Lehrstück für Kirche und Gesellschaft sein: Auch Hilfsaktionen müssen geplant, ihre Motive sorgfältig geprüft und die tatsächlichen Möglichkeiten ausgelotet werden. Einen besinnungslosen Rausch des Gutseins sollten Menschen sich eher nicht leisten, sondern stets auch rational bedenken, in welche Aporien ihr Handeln führen kann.

Der Autor, Gerhard Besier (Dresden), ist habilitierter evangelischer Theologe, promovierter Historiker und Diplom-Psychologe. Er lehrt an verschiedenen europäischen Universitäten und an der Stanford-Universität in Kalifornien.


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Lesermeinungen

 chiarajohanna 22. August 2016 
 

Helfer-Syndrom / Bergpredigt ?

Was ist mit den Obdachlosen
auf unseren Straßen?

Was würden die Politiker tun,
wenn all unsere deutschen Obdachlosen sich zusammen finden würden,
um gemeinsam in Berlin + im Bundestag
vorstellig werden, vor ihren Augen?

Man würde die Obdachlosen
des Hauses verweisen,
mit dem Hinweis auf Störung!

Die SCHWEIGENDE Not der Menschen,
die am Rande der Existenz leben,
ist den Politikern bekannt,
seit JAHR-ZEHNTEN !!!

Hier, bei uns selbst, in Deutschland
hätte man das sog. Helfer-Syndrom
schon längst willkommen geheißen,
schon allein, um Gerechtigkeit und Solidarität herzustellen.

Denn wer von uns lebt gern,
seiner Würde beraubt,
wie ein weggeworfener Hund
auf der Straße?

In der Bibel steht geschrieben,
das Jesus nichts hatte, wo er
sein Haupt hätte hinlegen können!

Weiter steht in der Bibel:
Was ihr einem ...
meiner geringsten Brüder ...
getan habt - das habt
ihr MIR GETAN!

AUFWACHEN - WAHRHEIT = ANGESAGT!


2
 
 Kleine Blume 22. August 2016 
 

Diese "Hilfsbereitschaft" geht zu Lasten der kommenden Generation!

Unsere Alterspyramide in Deutschland steht auf dem Kopf.

Wenige Junge müssen für viele Alte die Rente bezahlen. Schon das ist schwer zu stemmen. (Oft müssen jetzt schon Rentner noch Zeitungen austragen, um über die Runden zu kommen.)

Jetzt kommen noch Unmengen von Migranten, die auf Jahre hin auf soziale Leistungen angewiesen sein werden.

Wir überfordern die Finanzkraft der kommenden Generation total! Diese Generation muss dann unsere "Hilfsbereitschaft" ausbaden!


7
 
 Chris2 22. August 2016 
 

So ist es. Und die Ärmsten und Schwächsten

vegetieren weiterhin in den Flüchtlingslagern und (Behelfs-) Krankenhäusern vor Ort oder in armen Nachbarländern vor sich hin und fühlen sich verlassener denn je (auch, weil viele junge Männer, die sie verteidigen könnten, inzwischen in D sind). Dort wäre das Geld viel besser 'angelegt' gewesen, aber mental ist das eben viel zu weit weg, als dass man sich dabei so richtig gutfühlen könnte. Stattdessen kippen wir unsere Alters- und Geschlechtsverteilungspyramide in den enscheidenden Altersstufen zwischd 15 und 30. Mit unabsehbaren Folgen, gerade auch, weil über 3/4 der meist jungen Männer Muslime sind...


5
 
 gebsy 22. August 2016 

Bergpredigt missverstanden?

Wie alles in der Welt, kann auch das Wort der Bibel missbraucht werden.
Der Mensch braucht einen vertrauten Umgang mit seinem Schöpfer und Erlöser, wenn er seinem Mitmenschen zum Segen werden soll ...


1
 

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