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Der Gott der Offensive

1. April 2013 in Deutschland, keine Lesermeinung
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Predigt von Erzbischof Joachim Kardinal Meisner zum Ostersonntag im Hohen Dom zu Köln.


Köln (www.kath.net/ pek)
Liebe Schwestern, liebe Brüder!

Ostern erleben wir einen Gott der Offensive, der seinen Sohn aus dem verschlossenen Grab herausholt und mitten unter die Menschen schickt. Der Mensch ist permanent im Rückzug von Gott und seinen Mitmenschen: Isolierung, Trennung, Absonderung. Sonderung und Sünde sind die Markierungslinien seines Daseins. „Adam, wo bist du?“ (Gen 3,9), ruft schon Gott im Paradies nach dem ersten Menschen, und: „Kain, wo ist dein Bruder Abel?“ (Gen 4,9), fragt Gott die zweite Generation des Menschen, die sich des Mitmenschen, ja, sogar ihres Bruders, entledigt hat. Die Linie des Menschen im Rückzug führt durch Jahrtausende bis in den pfingstlichen Abendmahlssaal von Jerusalem, in dem sich die Apostel aus Furcht vor den Juden und aus Enttäuschung über Gott versammelt und eingeschlossen haben.

1. Unser Gott aber ist ein Gott der Offensive. Er kommt in seinem auferstandenen Sohn Jesus Christus in die geschlossene Gesellschaft der Menschen hinein, indem er sich für den Vater im Himmel und für seine Brüder und Schwestern auf Erden am Kreuz öffnet. Er hängt zwischen Himmel und Erde mit offenen Armen, offenen Händen und einem geöffneten Herzen. Er gibt sein Leben in die offenen Hände des Vaters hinein: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist“ (Lk 23,46). Aber erst richtig geschieht diese Offensive nach seiner Auferstehung. Er ist für die Menschen an seiner Offensive, an seiner Offenheit erkennbar.

Er kommt durch die verschlossenen Türen und bezeugt sich vor seinen Jüngern, indem er ihnen seine offenen, durchbohrten Hände und Füße und seine offene Herzwunde zeigt. Er fordert sie gleichsam zum Berührungstest auf. Seitdem darf die Christenheit der Welt beten: „In deinen Wunden berg ich mich“. „Da freuten sich die Jünger, als sie den Herrn sahen“ (Joh 20,20), so sagt das Evangelium. Die Freude wird das Erkennungszeichen des Menschen in der Nähe Gottes, die sich ihm im österlichen Christus eröffnet hat.

2. Auch für Thomas wird die Offenheit des auferstandenen Herrn der Weg in die Mitte Gottes hinein. „Mein Herr und mein Gott!“ (Joh 20,28), lautet die Summe seiner Ostererfahrung. Zur Freude der Osterbegegnung kommt hier für alle Zeit die Anbetung hinzu. Die Kirche ist heute der Ort, wo der Mensch dem österlichen Christus eucharistisch begegnet, vor dem die österliche Kirche niederkniet in Anbetung, Lobpreis und Danksagung.


Der Mensch heute wird sich zum österlichen Herrn nicht bekehren, wenn er darüber nur kluge Abhandlungen liest oder gelehrte Vorträge hört. Der Mensch im 21. Jahrhundert verhält sich wie der ungläubige Thomas von damals. Er will seine suchenden und tastenden Hände in die offenen Hände und Arme und in das offene Herz der Kirche hineinlegen. Dann wird er glauben.

3. Die der Kirche zugefügten Wunden – und sie sind erheblich bei uns und in aller Welt – sind aber auch die Einladungen Gottes an den verschlossenen Menschen in seinen verschlossenen Systemen zur Begegnung mit dem österlichen Christus. Die Kirche darf darum gleichsam nicht ihre Wunden lecken, sondern soll sich damit ihrer Ähnlichkeit mit dem österlichen Christus rühmen. Sie soll sich darum nicht dauernd selbst bemitleiden, sondern muss Christus, den Auferstanden, verkünden.

Da bleibt keine Zeit zum Selbstmitleid. Sie darf sich nicht um sich selbst drehen, sondern allein um Gott, der sie liebt, der sie trägt und der sie hält – besonders auch heute. Nicht wahr, der Mensch hat ein Grundrecht darauf, zu wissen, wer seine irdischen Eltern sind. Der Mensch hat aber auch ein Grundrecht, zu wissen, wer sein Schöpfer und sein Erlöser ist. Dieses Grundrecht schulden wir ihm als Kirche. Dieses Recht ist bei uns und von uns einklagbar.

Die Klagen der Menschen über uns als Kirche liegen oft darin begründet, dass wir zu viel über uns selbst und über alles Mögliche reden, aber zu wenig über Gott und über den österlichen Christus. Wir sind eine Kirche für alle, aber keine Kirche für alles. Wir haben Christus in Vollmacht zu verkünden und nicht für alle Probleme der Welt Rezepte anzubieten oder so zu tun, als ob wir welche hätten. Der Herr ruft am Kreuz zum Himmel hinaus: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mt 15,34).

Aber er bleibt bei der Klage nicht stehen, sondern fügt hinzu: „Vater, in deine Hände lege ich meinen Geist“. Neben der Rede über Gott ist uns besonders die Rede zu Gott aufgegeben. Es hat jemand gesagt: „Die feinste und sublimste Art Atheist zu sein, ist die, möglichst viel über Gott zu reden und möglichst wenig mit ihm zu reden“. Denn dann würden wir ja hören und müssten ihm, dem lebendigen Gott, in seinem österlichen Sohn Jesus Christus gehorchen.

4. Darum gehört auch das Schweigen in die Kirche, damit sie ins Gespräch mit dem auferstandenen Christus kommen kann. Die offenen Wunden des Osterchristus bringen Thomas und die Jünger in die Freude und in die Anbetung: „Da freuten sich die Jünger, dass sie den Herrn sahen“. Thomas spricht in anbetender Bewunderung: „Mein Herr und mein Gott!“. Petrus bestätigt diese österliche Erfahrung, indem er bezeugt: „Durch seine Wunden seid ihr geheilt“ (1 Petr 2,24).

Diese Ostererfahrung, die zum Osterzeugnis führt, zieht sich durch die ganze Kirchengeschichte bis in die Gegenwart. Thomas von Aquin bekennt vor dem österlichen Herrn: „Domine, non nisi te“, d.h. „Herr, nichts, wenn nicht dich“. Und Pascal schreibt seine Ostererfahrung in seinem berühmten Memorial nieder, das er mit dem Wort „Feuer!“ im Hinblick auf Gott beginnt. Die große Theresia beschreibt ihr Ostern mit der knappen gültigen Formel: „Solo Dios basta!“ – „Gott allein genügt!“. Bruder Klaus von Flüe bittet in seiner Osterbegegnung: „Herr, nimm mich mir und gib mich ganz zu eigen dir“.

Auch heute im 21. Jahrhundert fehlt es uns nicht an solchen überzeugenden Ostererfahrungen, die Christi Auferstehung bezeugen. Der Geist Gottes lässt auch heute eine ganze Reihe Menschen von innen her erkennen und verschmecken, was die Kirche uns von außen her Ostern zusagt und verkündet. Ich kenne eine ganze Reihe solcher überzeugender Menschen aus allen gesellschaftlichen Schichten. Dieser Osterchristus schmeckt immer nach mehr. Ostern lässt uns die Geschmacklosigkeit und Abgeschmacktheit, die Interessenlosigkeit, die Langeweile an Gott vermeiden. Der österliche Christus macht lebendig, denn seine Auferstehung ist faszinierend auch für uns.

5. Die Kirche ist berufen, Ort der Osterbegegnung für die Menschen zu sein. Deshalb haben wir das Paschamysterium in seiner ganzen Dichte präsent zu halten. Daher sagen wir es noch einmal: Die Kirche ist eine Kirche für alle, aber nicht für alles. Sie muss sich tapfer den Bemühungen verweigern, den Himmel vergessen zu machen, indem sie alle sozialen Pfade betritt, die es nur gibt, die sicher auch wichtig sind, aber dabei den Weg zum leeren Ostergrab vergessen lassen.

Sie darf sich nicht an den falschen Prophetien beteiligen, als ob aus der Erde eines Tages der Himmel zu machen wäre und die Menschen den Tod beseitigen könnten. Wir dürfen Ostern nicht überflüssig machen, indem wir vom Kreuz nur noch die Horizontale, die Weltlinie gelten lassen. Denn dann konzentrieren sich alle Wünsche des Menschen auf die Welt, und damit wäre sie wirklich dem Untergang geweiht, weil sie das hoffungslos überfordern würde.

Wir erleben das doch gegenwärtig in unserer Gesellschaft an allen Ecken und Enden. Der Abschied von unserem naturgegebenen Wertesystem führt zu einem Absolutismus des Relativen und zu einem menschlichen und sozialen Rückschritt. Dass unsere Gesellschaft so wenig österlich ist, indem sie das Leben nicht mehr weitergeben kann, zeigt, dass z.B. das Wesen der Ehe nicht auf einer gesellschaftlichen Konstruktion beruht, sondern dem physischen und geistigen Code der Person eingeschrieben ist.

Es ist gleichsam ein Gebot der österlichen Erfahrung, dass wir die Wirklichkeit der Familie nicht von familienfeindlichen Ideologien zersetzen lassen. Man will Familie und Ehe neu definieren, das natürliche gottgegebene Alphabet ändern und Alternativmodelle einführen, die unsere Familien schwächen. Man meint, dass es keine Wahrheit von Gott, vom Menschen und von der Welt gibt und man deshalb zu allem berechtigt ist, was gerade „in“ ist.

Ostern zeigt uns, dass das Leben so heilig und kostbar ist, dass Gott es durch die Auferstehung seines Sohnes durch den Tod hindurch bewahrt und uns zum ewigen Leben auferweckt. Wir Menschen sind zu kostbar mit dem Blute Christi erlöst, als dass wir uns solchen Relativismen anvertrauen könnten. Christen sind Auferstehungsleute, die überzeugt sind, dass Gott lebt und dass Christus auferstanden ist, und dass er bei uns bleibt bis zur Vollendung der Zeit. Das gibt uns Grund – trotz allem –, österlich zu leben und selbstbewusst unseren Weg zu gehen, weil der österliche Christus mit uns geht, alle Tage bis zur Vollendung der Welt. Amen.

+ Joachim Kardinal Meisner
Erzbischof von Köln


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