Login




oder neu registrieren?


Suche

Suchen Sie im kath.net Archiv in über 70000 Artikeln:







Top-15

meist-diskutiert

  1. Bistum Trier entlässt AFD-Landtagsabgeordneten Schaufert aus einem Kirchengremium
  2. Das Leben des Menschen ist schutzwürdig oder doch nicht?
  3. Werden Sie Schutzengerl für kath.net für mindestens 2024 und 2025!
  4. Nur 4 deutsche Bistümer sagen NEIN zum 'Synodalen Irrweg/Ausschuss'
  5. Erzbistum Hamburg verliert 2023 Millionen Euro durch Mitgliederschwund
  6. Höchstgericht entscheidet über Bibel-Tweet von Ex-Ministerin Räsänen
  7. Großes Interesse an Taylor Swift-Gottesdienst in Heidelberg
  8. Eine kleine Nachbetrachtung zu einer Konferenz in Brüssel
  9. Deutsche Jugend: GRÜNE PFUI, AFD HUI?
  10. ,Ich habe Pornographie gemacht – jetzt mache ich Rosenkränze!‘
  11. Klarer als die Deutsche Bischofskonferenz!
  12. ,Besorgniserregend': Neue Studie über muslimische Schüler
  13. Vatikan: Religionsfreiheit durch Urteil gegen Kardinal bedroht
  14. Das Mediennetzwerk Pontifex, gegründet 2005 als "Generation Benedikt", beendet seine Tätigkeit
  15. Taylor sei mit Euch

Gottes Bild zwischen den Buchreligionen

3. Oktober 2006 in Aktuelles, keine Lesermeinung
Druckansicht | Artikel versenden | Tippfehler melden


Christen müssen sich fragen, was ihr Ureigenes in der Begegnung aller Kulturen ist. Gott ist schön, sehen sie da mit den Muslimen und Juden. Und er ist barmherzig. Von Paul Badde.


Rom (www.kath.net) „Wir müssen also miteinander in Dialog treten, in Respekt und aufmerksam, allen kulturellen Differenzen zum Trotz.“ Das schreibt der Rom-Korrespondent der deutschen Tageszeitung „Die Welt“, Paul Badde, in einem aktuellen Beitrag für das Magazin „Inside the Vatican – Schönheit und Drama der Weltkirche“.

Seit Juni gibt es die deutschsprachige Ausgabe des Magazins. Verantwortlich dafür ist Guido Horst. Das Interesse an der Zeitschrift ist groß, denn „man will wissen, was der Papst macht, was er denkt, was im Vatikan vor sich geht“, erklärt er. Auf dem deutschen Markt gebe es kein religiöses Magazin in dieser Art. Mit dem deutschen Papst Benedikt XVI. „schien uns der Zeitpunkt gekommen, diese Lücke zu schließen“.

Wir dokumentieren den Beitrag von Paul Badde, der in der aktuellen Ausgabe von „Inside the Vatican“ publiziert wurde.

Gottes Bild zwischen den Buchreligionen

„Hunderte von Toten, unzählige Verletzte, eine große Masse von Obdachlosen und Flüchtlingen, zerstörte Häuser, Städte und Infrastrukturen“, beklagte Benedikt XVI. Ende Juli, am Tag nach dem Luftangriff Israels auf das libanesische Kana, als die Trümmer in dem muslimischen Dorf noch rauchten.

„Diese Fakten zeigen, dass man Gerechtigkeit, eine neue Ordnung und einen authentischen Frieden nicht mit Gewaltmitteln erreichen kann. Es zeigt sich erneut, dass die Stimme der Kirche gleichzeitig prophetisch und realistisch ist, wenn sie angesichts von Kriegen und Konflikten den Weg der Wahrheit, der Gerechtigkeit, der Liebe und der Freiheit aufzeigt.“

Was zeigte sich da? Die Stimme der Kirche soll realistisch sein? „Sollte ich eines Tages ein Opfer des Terrorismus werden“, schrieb zwölf Jahre zuvor der Trappistenmönch Christian de Chergé in Tibherine in Algerien in einem Brief an seinen potentiellen Mörder, „dann gilt mein DANKE auch Dir, der Du wohl nicht gewusst hast, was Du tatest. Auch Du, Freund der letzten Minute, trägst Gottes Gesicht. AMEN! Inch’Allah!“

Zwei Jahre später wurde ihm von Extremisten der Islamischen Heilsfront die Kehle durchgeschnitten, zusammen mit seinen Mitbrüdern. War der Mönch verrückt, überspannt? Oder leben Christen wie er und der Papst vielleicht überhaupt auf einem anderen Stern?

Gewiss ist in den letzten Jahren nur eins geworden: Die berühmte Ringparabel Lessings war eine bequeme neuzeitliche Legende. Die drei Ringe sind nicht gleich und waren nie gleich. Weder sind die drei monotheistischen Religionen gleich, noch sind es ihre Gottesbilder.

Verschiedene Welten sind deshalb den verschiedenen Glaubensrichtungen entwachsen, die sich heute in vielen Fällen verständnislos gegenüber stehen.

Wesentliche Unterschiede zwischen Judentum und Islam, zwischen Israel und Ismael, beginnen schon in ihren fundamentalen Büchern, im Alten Testament, wie die Christen die jüdische Bibel nennen, und im Koran. Und natürlich auch im Neuen Testament, wie der christliche Teil der Bibel heißt.

Es sind die Heiligen Schriften der Juden, Christen und Muslime, die sie getrennt als Selbstoffenbarungen Gottes betrachten. Gott selbst habe diese Schriften inspiriert, glauben sie untereinander und gegeneinander. Denn die Unterschiede sind groß. Legen wir die Bücher also einmal nebeneinander vor uns auf den Tisch.

Die Bibel ist von Anfang an ein Stück gewachsener Literatur, ein Baum mit tausend Jahresringen. Mit menschlichen Augen betrachtet, hat nicht Gott dieses Buch geschrieben, sondern eine Vielzahl von Autoren im Lauf der Geschichte des alten Israel.

Fast jedes Buch der Bibel darf darum immer auch als Einspruch, Widerspruch, Kommentar oder Ergänzung der früheren Texte verstanden werden. Die Bibel ist darüber ein höchst dialektisches Buch geworden: ein großer Dialog über die Zeitalter hinweg.

Der Koran hingegen – das wahre Buch der Offenbarung für die Muslime – stammt von einem Autor allein. Das ganze Buch trägt die Handschrift des Propheten Mohammed. Ein Großteil des biblischen Personals begegnet uns jedoch auch im Koran wieder, nur immer anders, in einer Art Generalkorrektur. Mohammeds Offenbarungen spiegeln die jüdische Offenbarung in vielen Suren, Anspielungen und Andeutungen - vor allem aber in immer neuen „Richtigstellungen“. Der Koran ist keine Erweiterung und Forterzählung der jüdischen Bibel wie das Neue Testament, sondern ein vollständiger Gegenentwurf, eine „Neue Bibel“ schlechthin.

Nach dem Koran hatte Gott seinen Willen auch nicht vielen Menschen im Lauf der Geschichte, sondern schon Adam in einem einzigen Akt vollständig entschleiert. Nach Adam verdunkelte die göttliche Offenbarung durch menschliche Verunreinigungen dann jedoch immer mehr, bis Allah sie deshalb schließlich noch ein letztes Mal ganz rein Mohammed zuteil werden ließ, dem „Siegel der Propheten“, damit er sie für alle Zeiten fälschungssicher aufschreibe.

Nachdem die Bibel also in tausend Jahren durch die Hände zahlloser Autoren nieder gelegt worden war, entstand der Koran in weniger als einem Menschenalter und ist - mit westlichen Augen betrachtet - vor allem das Werk von Mohammeds Genie. Dieses Buch steht am Anfang des Islam: als göttliches Fundament, als ein irdischer Abdruck der „Mutter der Schrift“ im Himmel.

Die Bibel steht dagegen nicht am Anfang des Judentums, sondern ist im Verlauf seiner Geschichte entstanden, als eine Sammlung von Erzählungen der Frühgeschichte Israels seit der Bronzezeit: die Vätergeschichte, die Zeit der Landnahme, die Richterzeit. In der Zeit der Könige beginnt die Niederschrift des Buches, und kanonisch wurde die Bibel erst zu Beginn des ersten Jahrhunderts nach Christus.

Nach und nach hat Gott in diesem Jahrtausendbuch seine Züge erkennen lassen. Schritt für Schritt tritt er hier aus dem Schatten aller anderen Götter hervor. In der Geschichte von der Opferung Isaaks tritt er innerhalb von fünfzig Zeilen aus der Gestalt des Menschen verschlingenden Moloch als jener neue Gott hervor, der keine Menschenopfer mehr will (auch wenn den Menschen gerade solche Opfer danach wie vor lieb und teuer geblieben sind).

Von einem zürnenden Stammes- und Kriegsgott offenbart sich der Gott Israels allmählich als der Herrscher des Himmels und der Erde - der dennoch schon auf den ersten Seiten der Bibel einen Menschen nach seinem schöpferischem „Ebenbild“ als Partner geschaffen hat.

In Chartres ist dieser Moment über dem Nordportal der Kathedrale in dem Werk eines mittelalterlichen Bildhauers zu bestaunen. Beim Betrachten wegfliegender Vögel verfällt Gott da auf den Gedanken, die Schöpfung schließlich auch noch mit einem Wesen nach seinem eigenen Bild zu krönen.

Beim Betrachten der Freiheit der Vögel und Fische kommt Gott auf den Gedanken, ein ganz freies Wesen zu schaffen! Es gibt vielleicht kaum ein schöneres Bild der Freiheit. Es ist eine Freiheit, die Gott seiner Allmacht entnimmt wie die Rippe Adams für die Erschaffung Evas. Es ist eine Selbstbeschneidung Gottes, denn sonst wäre die Freiheit der Menschen ja gar nicht frei.

Es ist deshalb auch die Freiheit des Menschen, an die sich der allmächtige Schöpfer der Welt in der Bibel schon am sechsten Schöpfungstag verbindlich auch selber bindet. Gottvater und Adam sehen in dem Bild wie Zwillinge aus: beide wie Jesus, nur einmal mit Bart und das andere Mal als Jüngling.

Das Bild ist völlig undenkbar für Muslime und Juden. Im Judentum ist der Mensch zwar nach dem Bild Gottes gebildet. Doch hier lässt sich sein Aussehen gleichsam nur rückwärts erschließen, gezeigt hat er sich selbst nur wenigen, die dabei – wie Moses – ihr Gesicht verhüllen mussten.

Und endgültig hat er sein Gesicht noch nicht offenbart. Im Islam aber ist das Gesicht Gottes überhaupt völlig unbekannt – und jenes Verständnis der Person und der Freiheit, wie sie im christlichen Abendland entwickelt wurde. Dem Islam ist beides fremd und unheimlich geblieben.

Denn Allah ist, wenn man so will, größer als Jahwe. Allah hat sein Antlitz nie enthüllt und wird es nie enthüllen. Allah hat kein Ebenbild. Er ist nicht ohnmächtig an unsere Freiheit gebunden wie der „Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs“. „Allahu akbar!“ rufen Muslime von Casablanca bis Jakarta: „Gott ist größer!“

Allah kennt keinerlei Beschränkung. Ein Bund mit den Menschen ist ihm wesensfremd. Seine Liebestat hat den Menschen nicht die Freiheit, sondern den Koran geschenkt.

Deshalb kennt die muslimische Welt auch keine moderne Demokratie im westlichen Sinn - aber auch nicht den gefährlichen Grad der Entfremdung der Menschen von ihrer Kultur, und den Grad der schrankenlosen Säkularisierung, die heute alle westlichen Gesellschaften kennzeichnet.

Denn nur in jener Freiheit, die der Geschichte und Welt der Bibel entstammt, konnten die Menschen eines Tages getrost auch Atheisten werden und straflos bleiben dürfen. Nur von hierher konnte eines Tages die fundamentale Freiheit, zu glauben oder nicht zu glauben, als ein Menschenrecht anerkannt werden. Im Islam bleibt diese Vorstellung bis heute unannehmbar.

Dem muslimischen Glauben, dass Gott sein Gesicht nie gezeigt hat, wie dem jüdischen Glauben mit seiner vagabundierenden Messias-Erwartung, steht der Glaube der Christen entgegen, dass Gott sein Gesicht im Messias Jesus vor 2000 Jahren für alle Zeiten endgültig enthüllt hat. Das Christentum ist keine Buchreligion. Es ist ein bleibend aufreizender und verstörender Gegensatz.

Radikal anders als alle anderen Bücher der jüdischen Bibel verstehen Christen das Neue Testament nämlich nicht mehr nur als späten und endgültigen Kommentar zu den früheren Schriften im Buch der Bücher, sondern als Zeugnis der letzten Selbstoffenbarung Gottes - im Aufleuchten seines menschlichen Angesichts.

Die Mitte der Evangelien sind die Berichte über das „Fleisch gewordene Wort“ in Jesus Christus. In ihm hat – wie Christen glauben - Gott selbst das Bilderverbot außer Kraft gesetzt. Zwischen den bilderlosen Welten des Judentums und des Islams verwahren Christen darum ein unkorrumpierbares Bild Gottes durch die Zeiten.

Nicht nur, was Jesus gesagt hat und was über ihn geschrieben wurde, sondern wer er war und wie er gelebt hat und gestorben ist, ist für Christen die letzte Selbstoffenbarung Gottes. All dies lesen sie in seinem Gesicht.

Es ist, wenn man so will, die kühnste und unglaublichste Gottesvorstellung der Welt, erst recht zwischen den Gläubigen der Buchreligionen; und ähnlich sahen das schon immer und sehen das auch heute noch Juden und Muslime. Schon Paulus nannte den Glauben an den Mensch gewordenen und gekreuzigten Gott in Christus „für Juden ein Ärgernis, für Heiden eine Torheit.“

Ärgernis und Torheit lassen sich aber nicht besser zusammenfassen als in dem Wort „Skandal“. Doch der Skandal blickt auf alle unendlich sanft und erbarmend, hilflos und schutzlos wie ein Lamm. Es ist jenes Lamm, das Johannes in Patmos in seiner Vision der letzten Stadt Gottes auf dem Thron sitzen sah. Könige bringen ihm ihre Kronen da, jede andere Herrschaft ist gebrochen, zuerst die jeder Gewalt.

Durch die Bildwerdung Gottes in Jesus ist aber auch die anmaßende Herrschaft der Schriftgelehrten über den Willen Gottes grundsätzlich gebrochen, über die Jesus schon sagte: „Weh euch, ihr Schriftgelehrten und Pharisäer, ihr Heuchler! Ihr seid wie die Gräber, die außen weiß angestrichen sind und schön aussehen; innen aber sind sie voll Knochen, Schmutz und Verwesung“. (vgl. Matth. 23,27)

Das Fleisch gewordene Wort Gottes lässt sich verdunkeln, verstecken oder vergessen – aber nicht mehr verdrehen und missdeuten. Von seinen Heiligen wurde das Gesicht Christi deshalb immer von neuem beleuchtet, nicht von theologischen Schulen oder Reformern und Reformatoren.

In Heiligen und Seligen leuchtete das Gesicht Christi immer von neuem auf, von Mutter Teresa in Kalkutta bis zu Charles de Foucault in der Sahara, die mit ihrer ganzen Existenz immer nur auf das Antlitz Jesu hinwiesen. Heilig wurden sie alle aus Liebe zu dem lebendigen Gott – und der Suche nach seinem Angesicht im Gesicht der Nächsten und Mühseligen und Beladenen.

Sie suchten keinen Unbekannten. Überall suchten sie Jesus. Die letzte Veranschaulichung Gottes im leibhaftigen und lebenden Jesus von Nazareth ist der Grundpfeiler des christlichen Credos Die schöpferische Vernunft Gotte ist Güte, sagte Benedikt XVI. in Regensburg: „Sie ist Liebe. Sie hat ein Gesicht. Gott lässt uns nicht im Dunklen tappen. Gott hat sich gezeigt als Mensch und ein menschliches Gesicht angenommen.“

Gerade heute, wo allenthalben pathologisch lebensgefährliche Erkrankungen der Religion und der Vernunft und Zerstörungen des Gottesbildes durch Haß und Fanatismus zu sehen seien, sei es wichtig, klar zu sagen, „welchem Gott wir glauben und dass wir zu dem menschlichen Antlitz Gottes stehen. Erst das erlöst uns von der Gottesangst, aus der letztlich der moderne Atheismus geboren wurde.“

Um das Paradox der Fleischwerdung Gottes entsprechend auszudrücken, sagte Papst Benedikt sechs Tage vorher am 6. September 2006 in seiner Audienz auf dem Petersplatz, „können wir sehr wohl sagen, dass Gott sich ein menschliches Antlitz gegeben hat, das Antlitz Jesu. Folglich haben wir jetzt, wollen wir wirklich das Antlitz Gottes erkennen, nichts anderes zu tun, als das Antlitz Jesu zu betrachten. In seinem Antlitz sehen wir wirklich, wer Gott ist und wie Gott ist!“

Wer Gott ist und wie Gott ist! - Doch was sehen wir da? Was sehen Christen, Juden und Muslime in jenem Antlitz, das Christen seit zwei Jahrtausenden von Jesus überliefert haben? Gewaltlosigkeit vielleicht zuerst, um hier nur einmal diesen Aspekt hervor zu heben. Mit dem Blick auf das Antlitz Christi lässt sich Gewalt nie mehr religiös begründen. „Seine ‚Rache’ ist das Kreuz: das Nein zur Gewalt, die ‚Liebe bis ans Ende’!“ rief Benedikt am 10. September in München.

Darum ist eine nur wenig beachtete Entwicklung auch ganz besonders bestürzend in jenem Konflikt der Kulturen, der sich vor unseren Augen im Nahen Osten so zuspitzt: das ist der Exodus der Christen aus dem heiligen Land, aus Israel, aus Palästina, aus Syrien, Jordanien, aus dem Irak.

Das ist ihr heimliches Verschwinden aus Ländern, wo Christen schon seit 1400 Jahren als Teil und Mitbürger der arabischen Welt leben. Der Verlust geschieht leise, als grausame Katastrophe. Denn es ist nicht nur der Verlust einer wichtigen Stimme zwischen den Kulturen im Krieg, es ist auch die Abtrennung der Christen von ihrem Ursprung. In Jerusalem ist nicht das Judentum entstanden oder der Islam, sondern das Christentum.

Abraham kam aus Mesopotamien, Moses aus Ägypten. Mohammed lebte und starb in Mekka und Medina. Der Islam ist in der arabischen Halbinsel entstanden. Jesus von Nazareth kam aus Galiläa, doch starb in Jerusalem. In dieser Stadt wurde das Christentum begründet. Hier hat Christus sein entwaffnetes Gesicht gezeigt: im Sterben und in der Auferstehung.

Dieser Glauben lässt sich keinem aufzwingen, erst recht nicht in dem apokalyptischen Ringen zwischen Israel und Ismael, das Christen so stetig als Partner aus dem Heiligen Land heraus drückt. Im letzten Jahrhundert ist das heilige Land ein heiliges Pulverfass geworden.

Ohne Christen und ihr Gewicht wird es hier noch brisanter und gefährlicher, wo Juden, Muslime und Christen, Israelis und Palästinenser, es bis jetzt einfach nicht schaffen, sich gegenseitig zu Hilfe zu kommen und Hilfe voneinander anzunehmen gegen die Zeloten in ihren Reihen, die einzelne Sätze verschiedener Überlieferungen zum Vorwand für Gewalt und Terror missbrauchen.

Noch absurder ist deshalb der Gedanke, Gewalt könnte in jenem globalen Kampf der Kulturen vielleicht zu einer Lösung verhelfen, der sich immer drohender in der Zukunft abzeichnet. Die Christenheit hat die Gewaltoption in den Kreuzzügen schon vor 800 Jahren in einem katastrophalen Experiment durchprobiert.

Nie wieder darf sie sich für ein ähnliches Unternehmen vereinnahmen lassen. Oder um es einmal ganz kindlich zu sehen und zu sagen: Über eine Milliarde Muslime können dem lieben Gott nicht einfach aus dem Ruder gelaufen sein, auch wenn wir ihren und sie unseren Glauben nicht teilen. Gott liebt sie wie uns – und er hat etwas mit ihnen vor. Anders kann es doch gar nicht sein.

Wir müssen also miteinander in Dialog treten, in Respekt und aufmerksam, allen kulturellen Differenzen zum Trotz. Dazu gibt es überhaupt keine Alternative – außer in der Vision unvorstellbar grauenhafter Katastrophen. Von Muslimen können Christen dabei neu die Furchtlosigkeit lernen und ihren Ernst in Glaubensdingen.

Vor allem aber werden Christen sich neu fragen müssen, was ihr Ureigenes in der globalen Begegnung aller Kulturen ist. Die zehn Gebote und einen ausgedehnten Sittenkodex haben Christen mit Juden und Muslimen gemeinsam, nicht aber das Wissen um Gottes Gesicht.

Das ist deshalb auch die letzte Mission der Christen, und ihre Bringschuld, dieses barmherzige Antlitz vor allen Religionen und Völkern zu bezeugen. Zuerst aber müssen sie es dafür selbst wieder entdecken. Gott ist schön, sehen sie da mit den Muslimen und Juden. Und er ist barmherzig.

„Wenn unser Herz uns auch verurteilt – Gott ist größer als unser Herz, und er weiß alles“, schrieb Johannes. Das Gesicht Jesu sagt es uns. Kein Buch, kein Text drückt sprechender aus, wie tief Gott sich zur Erde herab gebeugt hat, als der Blick in das Gesicht Jesu uns offenbaren will. „Alles vergeht, außer dem Antlitz Gottes“, heißt es in der 28. Sure des Koran.

Der Blick in die Augen Jesu spricht auch davon. Denn er schaut uns ja an und er schaut tiefer. Ein „unendliches Gut, welches alles Gute in sich begreift“, nannte Robert Bellarmin vor 400 Jahren diesen Augenblick. Der Kirchenlehrer hatte die Schrift noch ernst genommen. „Ich will dir alles Gute zeigen“, antwortete Gott schon Moses, als dieser ihn zuvor gebeten hatte: „Zeig mir dein Angesicht!“

Hinweis: KATH.NET-Club-Mitglieder können das Magazin „Inside the Vatican“ zum ermäßigten Preis von 37,50 Euro (Jahresabo) beziehen. Bestelladresse: E-mail an: [email protected]



Ihnen hat der Artikel gefallen? Bitte helfen Sie kath.net und spenden Sie jetzt via Überweisung oder Kreditkarte/Paypal!

 





Lesermeinungen

Um selbst Kommentare verfassen zu können müssen Sie sich bitte einloggen.

Für die Kommentiermöglichkeit von kath.net-Artikeln müssen Sie sich bei kathLogin registrieren. Die Kommentare werden von Moderatoren stichprobenartig überprüft und freigeschaltet. Ein Anrecht auf Freischaltung besteht nicht. Ein Kommentar ist auf 1000 Zeichen beschränkt. Die Kommentare geben nicht notwendigerweise die Meinung der Redaktion wieder.
kath.net verweist in dem Zusammenhang auch an das Schreiben von Papst Benedikt zum 45. Welttag der Sozialen Kommunikationsmittel und lädt die Kommentatoren dazu ein, sich daran zu orientieren: "Das Evangelium durch die neuen Medien mitzuteilen bedeutet nicht nur, ausgesprochen religiöse Inhalte auf die Plattformen der verschiedenen Medien zu setzen, sondern auch im eigenen digitalen Profil und Kommunikationsstil konsequent Zeugnis abzulegen hinsichtlich Entscheidungen, Präferenzen und Urteilen, die zutiefst mit dem Evangelium übereinstimmen, auch wenn nicht explizit davon gesprochen wird." (www.kath.net)
kath.net behält sich vor, Kommentare, welche strafrechtliche Normen verletzen, den guten Sitten widersprechen oder sonst dem Ansehen des Mediums zuwiderlaufen, zu entfernen. Die Benutzer können diesfalls keine Ansprüche stellen. Aus Zeitgründen kann über die Moderation von User-Kommentaren keine Korrespondenz geführt werden. Weiters behält sich kath.net vor, strafrechtlich relevante Tatbestände zur Anzeige zu bringen.


Mehr zu

Gott

  1. Gott in Frankreich
  2. Meine Liebe ist ansteckender als jede Pandemie - Leseprobe 2
  3. Meine Liebe ist ansteckender als jede Pandemie
  4. Die Lehninsche Weissagung
  5. Gott und die Welt
  6. Gott und die Welt
  7. Gibt es einen Gott oder keinen?
  8. Verteidigung des Primats des Allerhöchsten - Worte des ewigen Lebens
  9. Gott macht unruhig
  10. Vier ganz konkrete Wege, wie die Menschen, heute, Gott begegnen können!







Top-15

meist-gelesen

  1. Werden Sie Schutzengerl für kath.net für mindestens 2024 und 2025!
  2. KOMMEN SIE MIT! EINMALIGE REISE - 13. Oktober 2024 in Fatima + Andalusien!
  3. Eine kleine Nachbetrachtung zu einer Konferenz in Brüssel
  4. ,Ich habe Pornographie gemacht – jetzt mache ich Rosenkränze!‘
  5. Das Mediennetzwerk Pontifex, gegründet 2005 als "Generation Benedikt", beendet seine Tätigkeit
  6. "Ich verzeihe dir, du bist mein Sohn. Ich liebe dich und werde immer für dich beten"
  7. Der Mann mit Ticketnummer 2387393
  8. Taylor sei mit Euch
  9. Bistum Trier entlässt AFD-Landtagsabgeordneten Schaufert aus einem Kirchengremium
  10. Großes Interesse an Taylor Swift-Gottesdienst in Heidelberg
  11. Krakau: Einleitung des Seligsprechungsprozesses der mit 25-Jahren ermordeten Helena Kmieć
  12. Klarer als die Deutsche Bischofskonferenz!
  13. Höchstgericht entscheidet über Bibel-Tweet von Ex-Ministerin Räsänen
  14. Papst: Pius VII. leitete die Kirche mithilfe seiner Unterwäsche
  15. US-Präsident Biden macht Kreuzzeichen bei Pro-Abtreibungskundgebung

© 2024 kath.net | Impressum | Datenschutz